Asseln, Insekten und Fische aus der Mittleren Pechelbronn-Formation von Britzingen (Oberrhein)

Georg Ohmert, Sebastian Ohmert, Wolf Ohmert

 

Rheingraben-Tertiär, Unter-Oligozän, Isopoden, Insekten, Fische, Oberrhein, Baden-Württemberg

TK 25: 8112, Blatt Staufen

 

Die Mittlere Pechelbronn-Formation entspricht der Versteinerungsreichen Zone, die am südlichen Oberrhein zwischen den beiden oberen Salzlagern an der Basis des Oligozäns liegt. Ihr unterer Teil ist marin mit brackischen Einschaltungen. Der obere Teil ist vorwiegend brackisch.

Georg und Sebastian Ohmert haben noch als Schüler in der Umgebung von Britzingen (Ortsteil von Müllheim im Markgräflerland) nach Fossilien in der Versteinerungsreichen Zone der Mittleren Pechelbronn-Formation gesucht. Ihr wichtigster Fund neben vielen Pflanzenresten war die Fischplatte vom Bögelhof. Die paläontologische Bearbeitung (unvollendet) erfolgte durch W. Ohmert († 25.02.2018, Nachruf).

Die alten Steinbrüche am Bögelhof oberhalb von Britzingen liegen am Fuß der Badenweiler-Staufener Vorbergzone. Hier wurden schon im Mittelalter tertiäre Kalksandsteine als Bausteine gebrochen, die mit Konglomerat-Lagen abwechseln. Daneben sind auch Mergelkalksteine und zum Inneren des Kalibeckens zunehmend Mergel eingeschaltet.

Die meisten Mergelkalkstein- und Sandstein-Platten der Versteinerungsreichen Zone, die in den Britzinger Weinbergen am Bögelhof und im Lohn - Rosenberg zutage kommen, sind fossilleer. Manche Schichtflächen sind jedoch mit reichlich unbestimmbarem Pflanzenhäcksel bedeckt. Sie sind wohl auf Einschwemmungen bei erhöhten Niederschlägen zurückzuführen. In den Mergelkalken und blättrigen Mergeln beobachtet man meist eine fein laminierte Hell-Dunkel-Schichtung. Nach Martini (1969: 403) sollen die dünneren dunklen Lagen Winterlagen, die hellen Sommerlagen sein. Häufig sind Trockenrisse, die meist nicht sehr tief gehen (max. 10 - 12 mm) aber bisweilen noch klaffen oder mit Kalzit gefühlt sind.

Die im Folgenden beschriebenen Asseln, Insekten und Fische kommen aus einem solchen Mergelkalk, der aber keinem bestimmten Profilabschnitt zuzuordnen war. Die Basis der Platte besteht aus 3 - 5 mm bräunlichem feinem Kalksandstein mit Pflanzenresten, einer Muschel und marinen Ostracoden [nicht selten Cytheridea cf. primitia Haskins., mehrfach Paracypris aff. propinqua Triebel, selten (1x) Grinioneis cf. triebeli (Stchepinsky)] der tieferen Versteinerungsreichen Zone. Darüber folgen ca. 55 cm weißlicher, hell-dunkel laminierter, zäher Mergelkalkstein mit einzelnen dünnen eisenschüssigen Lagen. 38 cm über der Sandsteinlage ist ein Horizont mit mehreren kleinen Fischen, Insekten und einzelnen Blättern zu finden. Hieraus stammen wohl auch die meisten Asseln. Der oberste (juvenile) Fisch liegt etwa 10 cm unter der Bank-Oberfläche. Eine Blätterlage folgt etwa 5 cm unter der Bank-Oberfläche. Die Fische werden am Staatlichen Naturkunde Museum Stuttgart unter den Sammlungsnummern 96093-96098 aufbewahrt.  Die Britzinger Stücke sind zusammen geschwemmt (Thanatocoenose), aber auf einer anderen Kalksteinplatte desselben Fundorts findet man nebeneinander 5 gleichgerichtete Eindrücke im Sediment, die nach Größe und Form als Ruhespur der Art angesehen werden können.

Abb F

Asseln 

(Ordnung Isopoda,

Familie Sphaeromidae)


Archaeosphaeroma  n.sp. Abb. G (47 - 48)

Diagnose: Eine ovale Archaeosphaeroma mit relativ breitem Cephalon, das vom ersten freien Thorax-Segment eingefaßt wird, mit wellblechartig gewölbten vorderen Thorax-Segmenten (Pereioniten), mit median rückwärts ausgebuchtetem 7. Thorax-Segment, mit deutlich abgesetzten dachziegelartigen Epimeren und schmalen, gekerbten Uropoden. Oberfläche schwach gerieft. Alle 5 mehr oder minder vollständigen Exemplare sind keine Häutungs-Exuvien, die nach Martini (1969: 403) zweiteilig sein müßten.

 

Beziehungen: Die Typus-Art A. frici Novak 1882 stammt aus einem Süßwasserkalk des Unter-Miozäns (Burdigal) von Tschechien. Kennzeichnend sind ein 6-8-eckiges, kleines Cephalon, eine starke Wölbung des Thorax, abgesetzte und zugespitzte, sich überlappende Epimeren, 2 verschmolzene Abdomen-Segmente, hinten spitz zulaufendes Pleotelson mit Einschnitten für die vergleichsweise kurzen Uropoden.


A. frici hat keine so starke wellblechartige Verstärkung der vorderen Thorax-Segmente wie die Britzinger Art; allenfalls das 1. und 2. Segment lassen eine leichte Wölbung erkennen. Die gleichfalls an einer „Epimeralfurche“ abgeknickten Epimeren von A. frici richten ihre Spitzen eher nach außen als nach hinten. Das erste Abdomen-Segment zeigt bei A. frici nach Novak (1872: 44) mehrere Quernähte, wo bei A. n.sp. nur eine einzige Naht zu erkennen ist. Die feine Punktierung der Oberfläche von A. frici ist bei A. n.sp. allenfalls am Kopfschild zu beobachten, während die übrige Oberfläche ein feinliniertes (Fingerabdruck-artiges) Muster aufweist. Außerdem ist die neue Art nur halb so groß wie A. frici, für die Novak (1872: 41) 15 mm in entrolltem Zustand angibt. 

Die gleichzeitig auftretende Gattung Eosphaeroma ist recht ähnlich aber nicht so stark gewölbt. Ihr Cephalon ist stärker in das erste Thorax-Segment integriert und ihre Epimeren sind nicht so deutlich abgesetzt und starrer mit dem Thorax verbunden. Ihr Pleotelson ist eher halbkugelig, weniger dreieckig.


 

Eosphaeroma margarum (Desmarest 1822)

1888 fand Förster (:165) Eosphaeroma häufig im „Plattigen Steinmergel“ (= Versteinerungsreiche Zone) von Brunnstatt und Kleinkems, die er „äusserst nahe“ zu E. margarum (Desmarest) (= P. Brongniarti) und E. obtusum stellte. Mieg et al.(1892: 182) gaben dann von Kleinkems seltene Funde von „Spheroma margarum Desm.“ bekannt. Seitdem taucht diese Art im Schrifttum über das Unter-Oligozän des Elsaß immer wieder auf, ohne daß die Abbildungen oder Beschreibungen eine genaue Artzuweisung zulassen (Martini 1972: 71). Martini kam 1972 anhand von 6 Neufunden bei Altkirch (Elsaß) zu dem Schluß, daß in der Versteinerungsreichen Zone (Mittlere Pechelbronner Schichten) am Oberrhein nur die jüngere Art E. obtusum vorkommt, da keines der Altkircher Stücke eine durchgehende Naht auf dem Abdomen-Segment besitzt und die schmalen Uropoden eher der Art obtusum entsprechen.

 

Eo marg 186

Im Britzinger Material gibt es ein sehr gut erhaltenes Pleotelson mit kurzen, relativ breiten Uropoden, dem ein durch eine Naht geteiltes Abdomen-Segment vorangeht, wie dies Martini (1972: Abb. 3) für margarum angibt. Es handelt sich um eine Häutungs-Exuvie eines kleinen Tieres, die mit mehreren anderen Häutungsresten beieinander liegt.

Ein weiteres großes, vollständiges Exemplar mit dünner Cuticula ist völlig flach gedrückt, wobei sich das 4. Thorax-Segment über das 3. geschoben hat, das sich darunter durchpaust. Das erste freie Thorax-Segment umschließt ein breites und verhältnismäßig großes, fast rechteckiges Cephalon. Der Hinterrand dieses Segments ist wie die folgenden beiden Segmente median deutlich nach hinten ausgebogen. Die Abdomen-Segmente 1 - 5 sind zu einem einzigen Segment verbunden, das durch eine nach vorne ausbiegende Naht in 2 Hälften unterteilt wird. Median wird diese Naht etwas undeutlich (z.T. erhaltungsbedingt). An Stellen, an denen die Cuticula ausgebrochen ist, erscheint dieselbe Struktur, die Novak (1872) bei Archaeosphaeroma beobachtet hat. Nur die rechte Seite des Pleotelsons ist einigermaßen vollständig und mit den spitz auslaufenden, relativ breiten Uropoden erhalten. Vor dem Endopodit und dem durch einen Gesteinsriß zerschnittenen Exopodit, erkennt man einen durch eine Naht vom Pleotelson getrennten Proteropodit. Daneben ragen die Enden von 2 spitz auslaufenden Pereiopoden unter dem Pleotelson hervor, wie dies Martini (1969: 401) auch bei E. obtusum von Sieblos beschreibt.

Maße: Das große Exemplar mißt 8,5 mm Länge.

Beziehungen: Der Unterschied zu E. obtusum (H.v. Meyer) besteht nach Martini (1972: 72, Abb. 3) nur in den breiteren Uropoden und der durchgehenden Naht auf dem Abdomen-Segment (Pleomer), während obtusum nur noch randlich nachweisbare Nähte auf dem Abdomen-Segment besitzt. Demnach sind die beiden Britzinger Exemplare eindeutige E. margarum.

Verbreitung: E. margarum ist im Hampshire und Pariser Becken nach Martini (1972: 73 f., Abb. 4) auf das tiefere Unter-Oligozän beschränkt. E. obtusum soll dagegen im Hampshire Becken, in Nordhessen (Sieblos) und am Oberrhein ausschließlich im höheren Unter-Oligozän vorkommen. Die Britzinger Vorkommen könnten darauf hinweisen, daß hier in der Versteinerungsreichen Zone auch noch tieferes Unter-Oligozän enthalten ist (was auch die Ostracoden nahelegen). Das große Exemplar kommt aus der Fischplatte vom Bögelhof, 11 mm über deren Basis, also fast aus derselben Lage wie A. n. sp..

 

 Insekten

 

Ordnung: Diptera (Zweiflügler)

Unterordnung: Nematocera (Mücken)

57Mücke189Abb. 57 – 59

Auf manchen Schichtflächen sind massenhaft Mückenlarven teilweise recht gut erhalten. Sie unterscheiden sich von der bei Förster (1891: 454 f., Taf. 14, Fig. 1) als Zuckmücken-Puppe (Chironomidae) abgebildeten Form durch zwei schwalbenschwanzartige Anhänge am Hinterende, die an fast allen Exemplaren zu erkennen sind. Damit gehören sie auch nicht zu den Stechmücken (Culiciden).

Eine etwa 7 mm lange Mücke mit kräftigem, hohem Thorax und kurzem Abdomen zeigt vor dem Kopf neben der gebogenen Antenne einen langen geraden Anhang mit kolbenartig erweitertem Vorderende, in dem die stechenden Mundgliedmaßen zu erkennen sind. Demnach handelt es sich um ein Weibchen. Neben dem linken langovalen großen Auge ist auch das Ende des gegliederten Kiefertasters zu sehen. Leider fehlen die Flügel vollständig, während Femur und Tibia von zwei Beinen erhalten sind. Auf dem Hinterende sitzt ein kugeliges Gebilde, bei dem es sich um einen Parasiten handeln könnte.

59Haarm Pl 195
Auffallend ist die relative Seltenheit der Bibionidae, die in Brunstatt (Förster 1891: Taf. 14) und in Kleinkems (Théobald 1937. Taf. 16-17) zur gleichen Zeit recht häufig vorkommen. Nur die häufigste Art von Kleinkems, Plecia foersteriThéobald (= Plecia cf. stygia Heyd. sp. bei Förster 1891: 476 f.), wurde in Britzingen bisher mit einem einzelnen Exemplar gefunden (Länge 6,4 mm). Das stark gewölbte Mesonotum zeigt die U-förmige Einsenkung. Auf dem großen Abdomen sind schwache Abdrücke eines Flügels erkennbar, der über das Hinterende hinausreichte. Neueste Bearbeitung unter paleobiodb.org/classic/basicTaxonInfo?taxon_no=210895 
 

 

 

 

 

 

Ordnung: Heteroptera (Wanzen)

63WanzeHet192

Ein kleiner Heterogaster cf. sundgoviensis Théobald von Britzingen mit etwa 4,2 mm Länge ist als Hohlform vollständig mit Kopf, Thorax und kurzem, undeutlich segmentiertem Abdomen erhalten. Auf einer Seite sind Reste der starken Gliedmaßen und der Vorderflügel zu erkennen. Dieser trägt im vorderen Teil vor allem entlang Längsadern kräftige Grübchen. Die Membrane der hinteren Flügelhälfte ist viel schwächer skulptiert und weist einige gattungtypische Queradern auf. Théobald (1937: 258) hat die etwas größere Form von Kleinkembs mit 4,25 mm Länge nur auf Grund der Größe von dem 3,5 mm großen Typus der Art abgetrennt. 

 

 

 

 

 

 Ordnung Hymenoptera (Hautfügler), Überfamilie: Formicoidea (Ameise)

 

Abb E 2 große Ameisen (A) der Gtg. Camponotus ? sp. Darüber Pomatoschistus bleicheri (Sauvage 1893), rechts die typische schmale Schwanzflosse (Bri3).



Dicht bei einer Anhäufung von 3 kleinen Fischen und Blättern auf der Fischplatte vom Bögelhof finden sich auch mehrere Insekten, von denen 3 oder 4 zu den Ameisen gehören. Die größte mit 11 mm Länge dürfte zur Gattung Camponotus gehören, die Förster (1891: 428 ff.) auch in der Versteinerungsreichen Zone von Brunstatt und Théobald (1937: 217 f.) in Kleinkems nachgewiesen haben. Beine sind nur ansatzweise erhalten, bzw. liegen unter den Fischresten. Andere Exemplare messen nur 6 mm Länge. Das Männchen der größten Art von Brunnstatt, Camponotus vehemens Förster, misst 8 mm Länge.

 

 

Fische

In den Schlämmrückständen der Versteinerungsreichen Zone von Britzingen treten immer wieder Fischreste, meist Knochenreste, auf. Zunächst denkt man an den am Oberrhein häufigen kleinen Prolebias rhenanus Gaudant, der im nahen Kleinkems allein mit 140 Exemplaren (Gaudant 1981: 3) gefunden wurde. Er ist hier in der Kopfleiste nach der Rekonstruktion von Gaudant (1981) abgebildet.

 

Pomatoschistus bleicheri (Sauvage 1893), ein seltener Fisch im Tertiär der Britzinger Weinberge (Markgräflerland, Oberrhein).

 Abb. A Foto FischeAbb. A-E (64 - 67)

 

In der Fisch-Platte vom Britzinger Bögelhof fanden G. und S. Ohmert 1982 11 kleine Fische, die zu der selteneren Art Pomatoschistus bleicheri (Sauvage 1893) aus der

Familie Gobiidae (Grundeln) gehören.

Die Art wurde von Gaudant(1980) von der Typlokalität Rouffach im Elsaß neu beschrieben und ein Neotypus (NHMB Ruf.15b) aus den 18 Stücken im Naturhistorischen Museum Basel ausgewählt. Rouffach liegt am westlichen Rheingrabenrand ziemlich genau gegenüber von Britzingen. Die Zugehörigkeit zu den Gobiidae ist gesichert durch die Anordnung und den Bau der Flossen (vordere Rückenflosse mit 6 - 7 Stacheln, hintere Rückenflosse mit einem Stachel und 10 Strahlen, Brustflossen mit 12 - 15 Strahlen, darunter Bauchflossen mit 5 Strahlen, Analflosse mit 8 - 9 Strahlen und relativ schmale Schwanzflosse mit 10 - 12 Hauptstrahlen und 4 - 5 oberen und unteren Randstrahlen), das Schwanzskelett und die Form der sehr schmalen Frontalia des Schädels, die sich hinter der Orbita stark verbreitern (Gaudant 1980: 134). Die Gattungszugehörigkeit wäre nur mit nicht erhaltungsfähigen Organen zu beweisen.

 

 

 

Abb B P bleicheri4Abb. B: Pomatoschistus bleicheri (Sauvage 1893), Kopf (Bri4) mit vergrößertem Otolith und vorderer Skeletteil mit vorderer Rückenflosse (D1), Brustflosse (P) und rechter (Vr) und linker (Vl) Bauchflosse. (Fr = Frontalia, Orb = Orbita, Psph = Parasphenoid, Pmx = Praemaxillare mit feinen spitzen Zähnchen des Oberkiefers, D = Dentale mit den Zähnchen des Unterkiefers, Qu = Quadratum, Pop = Praeoperculum, OP = Operculum, Cl = Claviculare)

 

 

 

 

Die Britzinger Stücke (Slg. Staatliches Naturkunde Museum Stuttgart, Slg.Nr. 96093-96098) scheinen in manchen Details besser erhalten zu sein, als das Material von Rouffach, das ebenfalls aus streifigen Mergeln zwischen klastischen Sedimenten stammt.


Abb D bleicheriBri2

Abb. D: Pomatoschistus bleicheri (Sauvage 1893) mit der bisher unbekannten radial gestreiften Schuppe  (rechts) und der Ansatz der Brustflosse (P) und der Bauchflosse (V) am rechten Claviculare von Bri2.

Z.B. sind teilweise die Schuppen zu erkennen (Abb.D), die durch ihre Dachziegel (Bieberschwanz)-Form und feine konzentrische Rillen an Gobius erinnern, aber in der Mitte etwa 8 dunkler gefärbte, divergierende Streifen aufweisen.

Da der Schädel (10 - 11 mm Länge) dieser Fische relativ breit ist, wird er gelegentlich dorso-ventral so eingebettet, dass seine beiden Seiten teilweise sichtbar sind, wie auch das Stück, an dem Gaudant (1980: Taf. 1, Fig. 1) den Schädelbau analysiert hat. Dieselbe Einbettung zeigt ein Britzinger Stück (Bri5) mit etwas übersichtlicherer Anordnung der Knochen und leicht geöffnetem Maul, in dem das mit zahlreichen spitzen kleinen Zähnchen besetzte Dentale des Unterkiefers gut sichtbar ist.

Ein Exemplar, dessen Vorderteil so eingebettet ist, daß es die Ventralseite zeigt (Bri 3) , läßt erkennen, daß die schmalen Bauchflossen sehr dicht beieinander stehen (Abb. 65). Bei rezenten Gobiidae sind diese Bauchflossen oft saugnapfartig zum Festsetzen am Grund ausgestaltet. Bei Bri 1 und Bri 2 (Abb. 66) sitzt die Bauchflosse an einem aus 4 dreieckigen Teilen zusammengesetzten pyramidenförmigen Ansatz. Die dicht darüber liegende Brustflosse setzt an der Clavicula an, die bei Bri 4 (Abb. D) isoliert liegt. Die Brustflosse besteht aus 11 Hauptstrahlen, die sich bei 2/3 der Länge gabeln. Unter und über den Hauptstrahlen folgen noch je 2 kürzere Randstrahlen.

Bei Bri 3 (erhaltene Länge 38 mm, Gesamtlänge deutlich über 40 mm) sind 29 Wirbel zu zählen, wie bei den 5 - 10 mm kleineren Stücken von Rouffach (Gaudant 1980: 132 f.). Die Analflosse reicht als brauner Abdruck bei Bri 3 über die Länge von 10 der insgesamt 17 postabdominalen Wirbel zurück. Ein kleineres Stück von Britzingen (Bri 6) unter 30 mm Gesamtlänge scheint nicht voll ausgewachsen zu sein. Die Schwanzflosse und das Schwanzskelett läßt sich nur an Bri 3 gut beobachten: An den beiden dreieckigen, hinten leicht konvex gerundeten Hypuralia- Platten setzen 12 Haupt-Flossenstrahlen an, die sich gabeln. Gaudant (1980: 133) zählte am Neotypus nur 10. Dazu kommen noch 4 - 5 Randstrahlen.

 

Stratigraphische Einordnung: Der Kalksandstein an der Basis-Grenze der Britzinger „Fischplatte“ (ca. 35 mm unter den meisten Fischen) enthält neben zahlreichen Pflanzenresten (u.a. Daphnogene) marine Ostracoden: nicht selten Cytheridea cf. primitia Haskins., mehrfach Paracypris aff. propinqua Triebel, selten (1x) Grinioneis cf. triebeli (Stchepinsky). Mit dieser Mikrofauna läßt sich die Platte dem tieferen Teil der Versteinerungsreichen Zone zuordnen.

 

Lebensweise: Nach Gaudant (1980: 135, 1981: Abb. 3) sind die meisten rezenten Arten von Pomatoschistus euryhalin und können rasche Schwankungen des Salzgehalts von 1 bis 50 Promille ertragen. Sie leben am Boden seichter meist brackischer Gewässer. Zur Fortpflanzung benötigen die rezenten Arten aber marine Bedingungen (Gaudant 1980: 135). P. bleicheri scheint die Grabenränder zu bevorzugen, wo er in kleinen Schwärmen auftritt. Auch bei Rouffach am gegenüberliegenden Grabenrand ist er nicht selten, während aus dem Grabeninneren nur 3 Einzelfunde aus Bohrungen bekannt sind (Gaudant 1982: Abb. 1, 214). Die Britzinger Stücke liegen richtungslos kreuz und quer durch- und teilweise übereinander, in einer Thanatocoenose zusammen geschwemmt mit Pflanzen und Insekten.

Ruhespuren von Pomatoschistus bleicheri vom BögelhofAuf einer anderen Kalkmergel-Platte vom Bögelhof sind 5 - 6 längliche Eindrücke zu sehen, die bis 40 mm Länge erreichen und alle am selben (vorderen) Ende eine Vertiefung und Verbreiterung von etwa 13 mm Länge aufweisen, während das andere (hintere) Ende schmal ausläuft. Sie erinnern durch ihre gleiche Ausrichtung an einen Schwarm kleiner Fische, und ihre Länge stimmt mit der bei Pomatoschistus bleicheri gemessenen überein. Sie könnten Ruhespuren der am Grund sich zeitweilig festsetzenden Gobiidae sein. Demnach konnte sich P. bleicheri ebenso wie rezente Arten der Gattung (P. microps, P. marmoratus) etwas in den Schlamm eingraben, was bei Niedrigwasser-Stand ein Überleben möglich macht (http://www.fishbase.org/summary/Pomatoschistus-microps.html). Da die Britzinger Exemplare offenbar nicht überlebten und in diesem Bereich keine Trockenrisse zu erkennen sind, kommt als Todesursache allenfalls der Salzgehalt, nicht der Wasserstand in Frage.

 

 

 

 

 

 Notogoneus sp. (Familie: Gonorynchidae)

 

Abb F 68NotogoneusNotogoneus ., mehrere zusammengehörige kreisrunde Zähnchen von unten zu sehen, mit kleiner Alveole und radial gestreifter Peripherie (a); herausgefallenes Zähnchen von oben (b) und von unten (c)

In enger Nachbarschaft von 3 Pomatoschistus-Skeletten (Bri 1 - 3) liegt, teilweise durch einen Pflanzenrest verdeckt, ein strukturierter Abdruck, in den mehrere rundliche Fischzähnchen eingeprägt sind. Auf die meisten sieht man von unten. Ein Zähnchen von ca. 1,2 mm Durchmesser ist herausgefallen (Abb.F) und zeigt eine halbkugelige Krone. Diese Zähnchen sind am ehesten mit den von Weiler (1963: 20, Abb. 59 - 61) für Notogoneus longiceps (H. v. Meyer) dargestellten Zähnchen aus dem Unter-Miozän des Mainzer Beckens zu vergleichen. Allerdings sind sie noch etwas kleiner als diese (0,2 - 0,4 mm D). Weiler (1963: 20) ordnet die entsprechende Bezahnung dem Hyoid (Zungenbein) zu. Anzahl (mindestens 6-8) und Anordnung der Britzinger Zähnchen lassen auf einen kleinen Knochenrest schließen, der mit dem Gegendruck verloren gegangen ist.

Die Gattung Notogoneus ist im Unter-Oligozän des südlichen Oberrheins mehrfach nachgewiesen, am häufigsten bei Altkirch S Mulhouse (Gaudant & Burkhardt 1984: 160 ff.), wo sie in der Versteinerungsreichen Zone als N. cf. cuvieri (Agassiz) bestimmt wurde. Zähnchen wurden dort nicht gefunden. Notogoneus gehört mit ca. 23 cm Länge zu den größten Fischen der Versteinerungsreichen Zone am Oberrhein. Notogoneus sp. kommt nach Martini & Reichenbacher (2007: 264 f.) auch in der Mittleren Pechelbronn-Formation von Wallau im nördlichen Mainzer Becken vor und könnte aus dem Pariser Becken stammen. Gaudant (1982: Abb. 3) gibt für Notogoneus nur eine recht geringe Toleranz des Salzgehalts von 5 - 10 Promille an.

Das Britzinger Bruchstück stammt sicher von einem angeschwemmten Exemplar. Der Ort der Ablagerung entspricht nicht dem ursprünglichen Lebensraum der Art, die sonst nirgends mit Pomatoschistus zusammen gefunden wurde.

 

 

Angeführte Schriften:

Förster, B. (1888): Die Gliederung des Sundgauer Tertiärs.-- Mitth. Comm. Geol. Landes-Unters. Elsass-Lothringen, 1: 137-178, 2 Abb., 1 Tab.; Strassburg.

Förster, B. (1891): Die Insekten des "Plattigen Steinmergels" von Brunnstatt.-- Abh. Geol. Specialkarte Elsass-Lothringen, 3, 5: 333-594, 4 Tab., 6 Taf.: Strassburg.

Gaudant, J. (1980): Sur la présence de Gobiidae (poissons Téléostéens) dans l‘Oligocène Inférieur de Rouffach (Haut-Rhin).-- Sci. Géol., Bull., 33, 3: 131 - 137, 1 Tab., 1 Taf.; Strasbourg.

Gaudant, J. (1981): Un nouveau Cyprinodontidae (poisson Téléostéen) de l‘Oligocène Inférieur de Kleinkems (Pays de Bade, Allemagne) : Prolebias rhenanus nov. sp.-- Sci. Géol., Bull., 34, 1: 3 - 12, 1 Tab., 2 Abb., 1 Taf.; Strasbourg.

Gaudant, J. (1982): Nouvelles recherches sur l‘ichthyofaune des Zones Salifères Moyenne et Supérieure (Oligocène Inférieur) du Bassin Potassique Alsacien.-- Sci. Géol., Bull., 34, 4: 209 - 218, 3 Abb., 1 Taf.; Strasbourg.

Gaudant, J. (1984): Un nouveau Cyprinodontidae (poisson Téléostéen) de l‘Oligocène Inférieur de Kleinkems (Pays de Bade, Allemagne): Prolebias rhenanus nov. sp. ; Erratum et corrigendum.-- Sci. Géol., Bull., 37, 2: 173 - 174, 1 Abb.; Stasbourg. 

Gaudant, J. & Burkhardt, T. (1984): Sur la découverte de poissons fossiles dans les Marnes Grises Rayées de la Zone Fossilifère (Oligocène Basal) d‘Altkirch (Haut-Rhin).-- Sci. Géol., Bull. 37, 2: 153 - 171, 1 Tab., 7 Abb., 1 Taf.; Strasbourg.

Martini, E. (1969): Isopoden aus dem Unter-Oligozän von Sieblos/Rhön.--Senck. leth., 50, 5/6: 399-409, 1 Abb., 2 Taf.; Frankfurt a.M.

Martini, E. (1972): Die Gattung Eosphaeroma (Isopoda) im europäischen Alttertiär.--Senck. leth., 53, 1/2: 65-79, 4 Abb., 2 Taf.; Frankfurt a.M.

Martini & Reichenbacher (2007): Nannoplankton und Fisch-Otolithen in den Mittleren Pechelbronn-Schichten (Unter-Oligozän, Oberrheingraben/Mainzer Becken).-- Geol. Abh.Hessen, 116: 235-273, 9 Abb.,9 Tab., 3 Taf.; Wiesbaden.

Mieg, M., Bleicher, G. & Fliche, P. (1892): Kleinkembs et le lac sundgovien.-- Bull. Soc. Géol. France, 3.sér., 20: 175-210; Paris.

Novak, O. (1872): Über eine neue Isopoden-Gattung aus dem tertiären Süßwasser-Kalk vonWaltsch.--Sitzber. Königl. Böhm. Ges. Wiss. Prag, 1872: 39-45, 2 Abb.; Prag.

Théobald, N. (1937): Les insectes fossiles des terrains oligocènes de France.-- Mém. Soc. Sci. Nancy, 2: 473 S., 17 Abb., 13 Tab., 29 Taf., 7 Karten; Nancy.

Weiler, W. (1963): Die Fischfauna des Tertiärs im oberrheinischen Graben, des Mainzer Beckens, des unteren Maintals und der Wetterau, unter besonderer Berücksichtigung des Untermiozäns.-- Abh. Senck. Naturf. Ges., 504: 1-75, 258 Abb., 2 Taf., 1 Karte; Frankfurt a.M.

 

Ga

Ab 

Abb. A: Pomatoschistus bleicheri (Sauvage 1893)
Abb. B: Pomatoschistus bleicheri (Sauvage 1893), Kopf (Bri4) mit vergrößertem Otolith und vorderer Skeletteil mit vorderer Rückenflosse (D1), Brustflosse (P) und rechter (Vr) und linker (Vl) Bauchflosse. (Fr = Frontalia, Orb = Orbita, Psph = Parasphenoid, Pmx = Praemaxillare mit feinen spitzen Zähnchen des Oberkiefers, D = Dentale mit den Zähnchen des Unterkiefers, Qu = Quadratum, Pop = Praeoperculum, OP = Operculum, Cl = Claviculare)
Abb. C: Pomatoschistus bleicheri (Sauvage 1893)
Abb.C P.bleicheri5
Abb. D: Pomatoschistus bleicheri (Sauvage 1893), die bisher unbekannte radial gestreifte Schuppe und der Ansatz der Brustflosse (P) und der Bauchflosse (V) am rechten Claviculare von Bri2
Abb. E: Pomatoschistus bleicheri (Sauvage 1893), rechts die typische schmale Schwanzflosse (Bri3); darunter 2 große Ameisen (A) der Gtg. Camponotus ? sp. die Förster (1891: 428 ff.) auch in der Versteinerungsreichen Zone von Brunstatt und Théobald (1937: 217 f.) in Kleinkems nachgewiesen haben
Théobald, N. (1937): Les insectes fossiles des terrains oligocènes de France.-- Mém. Soc. Sci. Nancy, 2: 473 S., 17 Abb., 13 Tab., 29 Taf., 7 Karten; Nancy.
Abb. F: Notogoneus ., mehrere zusammengehörige kreisrunde Zähnchen von unten zu sehen, mit kleiner Alveole und radial strukturierter Peripherie (a); herausgefallenes Zähnchen von oben (b) und von unten (c)
Abb. G: Archaeosphaeroma sp., Assel, die sich von Eospharoma durch wellblechartig verstärkte Thorax-Segmente, mit denen die seitlichen Epimeren starrer verbunden sind und die mediane Ausbuchtung des letzten Thorax-Segments unterscheidet.