Zum 50. Todestag von Paul Hans Ohmert
Am 18.8.1960 starb der Zeichner und Maler Paul Hans Ohmert in Oberstdorf im Allgäu. Dort lebte er seit Ende 1940 zusammen mit seiner 2. Ehefrau Desirée Mollière, in einem eigens erbauten Haus mit großem Garten. Dazu kam später die Pflegetochter Susanne aus einer verarmten Oberstdorfer Familie. Seit etwa 1955 war der Maler nach einem Schlaganfall teilweise gelähmt, doch ist ein letztes Bild noch mit 1958 oder 59 datiert, obwohl er seine Bilder sonst fast nie datiert aber immer signiert hatte. Um 1964 hat die Stadt Oberstdorf zusammen mit dem Heimatmuseum etwa ein Dutzend seiner Bilder erworben, von denen ein kleineres Selbstpoträt 2007 in „Oberallgäu Kultur“ veröffentlicht wurde. Es zeigt ihn, wie er in Oberstdorf ausging, in grüner Trachtenjacke und mit Jägerhut, an dem die Allgäuer bemängelten, daß der Gamsbart nicht aufrecht stand, sondern nach unten hing. Dazu kam bei entsprechendem Wetter noch ein grüner Umhang. Ein anderes Selbstporträt dieser Sammlung zeigt ihn mit einem abwägend zugekniffenen Auge, während das andere weit aufgerissen ist, und mit einem verknautschten schwarzen Hut, den er nur im Atelier getragen haben soll. In einem dritten, großen, aber weniger durchgearbeiteten Porträt stellte er sich als Jäger mit geschulterter Flinte vor einem hohen Bergrücken dar. Er ging mit einem Oberstdorfer Jäger und Bergführer auf die Jagd, was auch in einem Gemälde von dem Jagdhaus am Christles-See zum Ausdruck kommt. Sein Jägerlatein, das er am Stammtisch im „Adler“ oder in der Bahnhofs-Gaststätte zum Besten gab, haben ihm die Oberstdorfer nie recht abgenommen, ihn aber immer gern dazu animiert. In beiden Lokalen waren zeitweilig einzelne Bilder von ihm ausgestellt. Gern soll er auch Oberstdorfer Handwerker und Geschäfte mit Bildern bezahlt haben, wenn er gerade nicht flüssig war. Im Heimatmuseum ist ständig sein Porträt der Dichterin Gertrud von Le Ford ausgestellt, die in derselben Straße wie der Maler wohnte. Außerdem besitzt das Heimatmuseum Porträts des Oberstdorfer Schuhfabrikanten Schratt, eines Geigers (von dem ein Pendant auch in Ohmerts Nachbarhaus in der Freibergstrasse hing) und weiterer Bürger. In dieser Zeit hat er auch den Bundeskanzler Konrad Adenauer porträtiert, wie der „Spiegel“ 1960 in einem kurzen Nachruf berichtete. Sie sind im Stil alter holländischer Meister gemalt, deren Bilder er auch restauriert haben soll. So beantragte Schaffhausen 1949 zu einer Rembrandt-Ausstellung seine Ausreise aus der amerikanischen Besatzungszone.
Vor Ausbruch des Weltkrieges hat Paul Hans Ohmert viele Motive aus Holland dargestellt, wie ein Berliner Katalog von 1921 bekundet, vielleicht auf Anregung seines Lehrers Max Liebermann, der selbst viel in Holland gearbeitet hat. 1921 bereitete er auch als Komissions-Mitglied der Deutsch-Niederländischen Vereinigung eine Ausstellung der Expressionisten im Pulchri-Studio in Den Haag vor, auf der er selbst mit einem Bild vertreten war, das vom Stedelijk-Museum in Amsterdam angekauft wurde. Vor seiner Oberstdorfer Zeit war er Professor im Ausland, möglicherweise in Holland, während nach England, von dem auch die Rede war, keinerlei Spuren führen. Jedenfalls war er damals nicht in seinem Domizil in Güterfelde im Südwesten von Berlin, obwohl er dort ein schönes Grundstück mit Haus und Atelier besaß. Im Südwesten Berlins lebten auch seine Lehrer Max Liebermann und Karl Hagemeister. Liebermann hat seinen Schüler mehrfach porträtiert, so in einer Zeichnung, die dem Katalog von 1921 vorangestellt ist, aber auch in einem Gemälde, das noch 1987 auf einer Hamburger Impressionisten-Ausstellung gezeigt wurde. Umgekehrt hat P.H.Ohmert zuweilen Themen Liebermanns aufgegriffen, etwa in der als Hommage zu verstehenden Radierung „Karren in den Dünen“ oder in dem Stillleben mit Pilzen, Gemüse und Käseglocke, das sich an Liebermanns Küchen-Stillleben anlehnt. Eventuell ist auch Ohmerts merkwürdiger „Gänsedieb“ als Persiflage auf Liebermanns berühmte „Gänserupferinnen“ zu sehen, da der Dieb weitgehend dem Mann gleicht, der die Gänse in Liebermanns Bild hereinbringt. Hagemeisters Einfluss läßt sich außer in den vielen Wasser- und Waldlandschaften aus der Mark Brandenburg in Ohmerts Jagtbildern, etwa Radierungen wie „Entenjagt“, Gemälden wie „erlegter Rehbock“ oder den Illustrationen in einem Jagdbuch von 1925 (Verlag Fr. Zillesen) erkennen, denn Hagemeister war selbst Jäger. Die Buch-Illustrationen wurden eventuell von Ohmerts drittem Berliner Lehrer, Hans Looschen, vermittelt, der ein bekannter Buch-Illustrator war.
P.H.Ohmerts frühe Gemälde, etwa der „Mecklenburger Kirchhof im Winter“ von 1914 sind naturalistisch aber in leuchtenden, eindringlichen Farben gemalt. Um 1920 entwickelte er einen expressionistischen Stil mit großzügigem breitem Pinselstrich, z.B. im „Kaffee im Park“ (im Katalog von 1921) oder „Mädchen vor dem Spiegel“, das die Berliner National-Galerie 1925 erworben hat. Von dem 1925 in Velhagen & Klasings Monatsheften abgedruckten Gemälde „Brandung“ ist es nur ein kleiner Schritt zu der nahezu abstrakten Gouache Seeansicht („Zeegezicht“). Später, vielleicht unter dem Einfluß der Holländer, die ihn mit ihren alten Meistern verglichen haben, entwickelte er eine weniger farbige, mehr an Licht und Schatten orientierte neoromantische Malweise, mit der er sich, wie viele deutsche Maler Ende der 20er Jahre (etwa Dix, Grosz, Kanoldt), von der Moderne abwandte. Daneben hat er aber auch noch in Obertstdorf stark farbige Blumen-Stilleben gemalt, die beinahe an Nolde erinnern.
In seinen frühen Jahren hat P.H.Ohmert auch ein umfangreiches Werk an Zeichnungen und Radierungen geschaffen. Eine Radierung der „Muschelfischer von Sylt“ von 1908 läßt auf einen wohlhabenden Gönner schließen, da das Nordseebad sicher außerhalb der Möglichkeiten seiner Familie lag, in der er zu dieser Zeit bereits 7 Geschwister hatte. Bei den Landschaften kam er in der Graphik oft zu großzügigen Vereinfachungen (etwa von „Frankfurt an der Oder“). Die vielen Personen- und Gruppen-Darstellungen (von Strand- und Schlittschuh-Läufern, von Volksaufläufen und Rednern, von Bauern und Fischern, von Kaffees) zeigen sein Interesse an gesellschaftlichen Themen, das er mit Looschen teilte. Ein kleines Selbstporträt als Radierung zeigt ihn im Atelier, mit nachdenklichem Blick von unten herauf, den Kopf auf die Faust gestützt. In Augenhöhe steht auf der Staffelei ein Gemälde im aufwendigen Stuckrahmen, das in der Mitte eine Gruppe von zwei Frauen zeigt, von denen eine einen kleinen Jungen an der Hand hält. Als zarten Umriß erkennt man noch eine vierte Gestalt, einen Mann, der von außerhalb des Rahmens mit großem Schritt in das Bild hinein tritt. Es ist die Gestalt des „Aalverkäufers“ einer anderen Radierung.
Zu seinem Sohn Gerhard, der ihm 1914 in erster Ehe von Berta Maria Hoffmann in Berlin-Friedenau geboren wurde, hat der Maler später wegen dessen Heirat den Kontakt abgebrochen. 1942 ist dieser einzige Sohn in Rußland gefallen. 1945 ging der „Sonnenuntergang“ verloren, der damals in Sonnenburg in der Neumark hing, bei seinen Eltern, dem ehemaligen Webmeister, später Gutsverwalter und schließlich Kommissionär Hermann Ohmert und dessen Frau Berta, geb. Schröter. Und 1945 wurden aus dem Pergamon-Museum in Berlin zwei Gemälde von P.H.Ohmert gestohlen, „Landschaft im Sturm“ und „Düne“, nach denen die Berliner National-Galerie noch heute fahndet.
Neuerdings begegnet man ihm und seinen Bildern immer wieder im Internet, auf Auktionen bis nach Amerika und auf kleineren Ausstellungen von Galerien. Aber es gibt nur noch wenige, die ihn selbst gekannt haben.